»Natürlich sitzen die (westdeutschen Unternehmen) wie die Falken auf den Mauerzinnen, um sich auf die Beute zu stürzen. Marktwirtschaft erst einmal in Gang zu bringen heißt aber auch, daß man die Beutejäger ein bißchen gewähren läßt.«


WOLFGANG KARTTE

Chef des Bundeskartellamts Anfang 1990


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STUTTGARTER ZEITUNG: Das heißt, dass Sie die bedingungslose wirtschaftliche Kapitulation der DDR einfordern.


LOTHAR SPÄTH: Ich sage mal ganz brutal: ja.«


Der damalige Ministerpräsident Baden-Württembergs,

im Februar 1990


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»Ich war kein Getriebener, ich war Treibender. Und zwar deshalb, weil ich mit dem mir angeborenen Maß an Zynismus und Kälte plus Sachverstand plus intensiver Sachbeschäftigung ganz klar und ohne Wunschdenken gesagt habe, wie es weitergehen würde. Ich habe die Vorgänge zudem abgestuft, stets schrittweise gedacht. So nach dem Motto: Zuerst einmal bekommen wir die DDR an die Angel und schaffen vollendete Tatsachen in Richtung deutsche Einheit. Ich habe also alles getan, um diesen Prozess zu fördern. Als das dann erledigt war, die Treuhand existierte und unsere Überlegungen aufgegangen waren, habe ich gesagt: Jetzt wickeln wir das ganze Zeug möglichst schnell ab


THILO SARRAZIN 1990 Beamter im Bundesfinanzministerium

und ein Vordenker der Währungsunion


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»Das hier vorgelegte [Treuhand-]Gesetz ist aus mehrfacher Sicht unakzeptabel, man könnte auch sagen, ein Skandal. ... [das ist] eine Volksenteignung in nie dagewesenem Ausmaß. Das Ergebnis ist ein Volk von Sozialhilfeempfängern und Angestellten

GÜNTER NOOKE, ex-Mitglied von Bündnis 90

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»Manche sind wohl der Meinung, dass das Gras, was aus den Ruinen sprießt, besonders grün sei. Mehrfach kam mir zu Ohren, hier müsste ein kreatives Chaos her, um dann neu aufbauen zu können. Meist sagen so etwas Ökonomen im öffentlichen Dienst. Diese Herren haben keine Ahnung davon, wie schnell man zwar einen 1000-Mann-Betrieb liquidieren kann, wie wahnsinnig schwer es aber ist, ihn wieder aufzubauen.«

DETLEV ROHWEDDER, Treuhand-Präsident


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»Wir hatten auch keine Zeit, zu prüfen, womit wir uns Feinde gemacht haben und ob wir Feinde hatten. Wir haben einfach gearbeitet. Und da wir uneingeschränkte Rückendeckung der Bundesregierung hatten, war es eigentlich auch ziemlich wurscht, ob wir uns Feinde machten oder nicht. Wir haben durchaus eine Reihe von Fehlern gemacht, aber wir haben nichts falsch gemacht. Das heißt, alle grundsätzlichen Entscheidungen – im Rahmen, der uns vorgegeben war – waren wohl richtig, auch die Organisationsentscheidungen waren richtig, auch die strukturellen Entscheidungen waren richtig.«


NORMAN VAN SCHERPENBERG

Generalbevollmächtigter der Treuhandanstalt


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»Hier wird, was die Treuhandanstalt und die Verfolgung kommerzieller Interessen angeht, nun aber auch wirklich jede Scham beiseite gelegt, und wenn die Treuhandanstalt sich als weniger gefügig als erwartet zeigt, dann ist man ganz schnell dabei, den Journalisten seine Enttäuschung weiterzugeben. Es ist ein bisschen wie im Wilden Westen, und manche Leute nehmen sich gegenüber der Treuhandanstalt Unverschämheiten heraus, die in Westdeutschland schlechthin unmöglich wären. Aber das wird sich ja auch geben.«


DETLEV ROHWEDDER, Treuhand-Präsident


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»Wildwest war gar nichts dagegen. Das war Shanghai 1930. Es gab ernstzunehmende Leute, aber es gab eben auch eine Räuberbande, die kamen aus Asien, aus England, von überall her und die klauten uns die Sachen unter dem Hinter weg.«


FRANZ WAUSCHKUHN ehemaliger Treuhand-Sprecher


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»Weil unsere Marktwirtschaft durch rationale Privatunternehmer und Privatkapitalisten vorangetrieben wird, wäre es da nicht sinnvoll, den ganzen Ramsch drüben so schnell wie möglich und koste es, was es wolle, zu verscherbeln, zu verschenken, ja sogar noch Geld hinterherzuwerfen


Frage der Zeitung DIE WELT
an den Treuhand-Chef Detlev Rohwedder


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»Die Großbanken haben sich die gesamte Liquiditätssicherung der Treuhandanstalt, die vielen, vielen Milliarden, die in die ostdeutschen Betriebe liefen, mit einer Globalbürgschaft der Treuhandanstalt versüßen lassen. Das heißt: Keine große deutsche Bank hat je eine D-Mark im Risiko gehabt. Es war immer alles vom Bund per Globalbürgschaft abgesichert. Trotzdem hat man Marktzinsen verlangt, was unfair und unredlich war. Da hat sich die Politik über den Tisch ziehen lassen.«

DETLEF SCHEUNERT, ex-Treuhänder


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»Es liefen einige sogenannte Investoren über die Flure, denen ich wahrscheinlich noch nicht mal einen Gebrauchtwagen verkauft hätte, die aber dort mit geradezu aufreizender Freundlichkeit empfangen und bedient wurden. Ich hätte diese Leute sofort verwiesen. Ich war, glaube ich, einer der Ersten, die anfragten, ob man nicht erst mal eine ›Creditreform‹-Anfrage machen sollte, bevor man überhaupt ein Treffen mit einem sogenannten Investor ansetzt. Diese Ideen waren alle offensichtlich neu.«


ein ehemaliger TREUHÄNDER


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»[Der Treuhand-Kollege] hat damals verkündet, er käme aus gutem Haus und habe vermögende Eltern, da kann man auch so ’n Auto mal fahren. Der war ein äußerst netter Kollege ... Der war einfach in Ordnung – glaubte ich. Er feierte gerne. Er sah das auch als Motivation an, mit seiner Truppe von Kollegen, die er hatte, mal freitags oder samstags abends zu feiern oder vielleicht auch mal nach Mallorca zu fliegen. Die einen sagen, das war Motivation, die anderen sagen vielleicht, der hat nur versucht, alle einzuseifen. Ich hätte fast meine Hände ins Feuer gelegt, dass er nicht zu der Kategorie der sogenannten Glücksritter zählt. Aber die Glücksritter haben es nun einmal nicht auf der Stirn stehen


BERND CAPELLEN, ehemaliger Treuhänder


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»Bevor wir im Grunde genommen die Dinge durchschaut haben, waren eigentlich alle Messen gesungen. Dann hat man natürlich auch noch andere Kriegsschauplätze, die man mit der Treuhand zu verhandeln hat. Die Treuhand hatte eben auch die Macht, eine Industrieansiedlung dort zu genehmigen und da zu verweigern. Wir waren diesen Machtgeflechten der Treuhand auch als Ministerpräsidenten ausgeliefert.


Wenn man jetzt mal Umfragen liest, ob die DDR-Bürger die Demokratie gut finden, dann ist ja eine Mehrheit dagegen. Die Ostdeutschen haben das sogenannte demokratische System in Form der Treuhand erlebt und festgestellt: Das wollte man eigentlich nicht. So war das schon damals, in der DDR: Von oben wird durchgestellt, was die da unten machen müssen. Da hatten wir eigentlich gedacht, das kommt jetzt anders. Ich glaube, die Treuhand hatte eine Wirtschaftsmacht wie ehemals die staatliche Plankommission. Der Zentralismus der DDR und der Dirigismus der Wirtschaft ist durch die Treuhand ein Kapitel weit fortgesetzt worden. Man konnte offenbar die DDR nur mit DDR-Methoden abschaffen...«


REINHARD HÖPPNER

ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt


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»Man hatte das Gefühl, dass die Politik im entscheidenden Moment die Treuhänder allein ließ. Vielleicht auch aus einer gewissen Überforderung heraus. Ich war mal im Finanzministerium, kam gerade aus einer Demonstration, hatte mehrere Unternehmen, wo gestreikt wurde, es gab sogar Hungerstreiks, also es brannte an allen Ecken und Enden. Dann kam ich nach Bonn wegen eines Privatisierungsfalles, den wir dort abstimmen mussten. Die Beamten brauchten allen Ernstes eine Stunde, bevor sie in die Tagesordnung eintreten konnten, weil sie sich nicht einigen konnten, wer zuständig war. Das war so weit weg und so unwirklich. Ich werde mich immer an das Plätschern eines kleinen Springbrunnens dort erinnern. Die Sonne schien, es war so eine Stille in dem Haus. Man hat nicht gedacht, dass es dasselbe Land ist. Ich habe gedacht, das ist ein anderer Planet – das kann nicht wahr sein, dass diese Leute die politischen Rahmenbedingungen definierten. Die konnten das gar nicht verstehen.«


DETLEF SCHEUNERT, ex-Treuhänder


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»Das ist eben auch wie im Krieg, also solange nicht wirklich arg geplündert wird und damit gegen irgendwelche Genfer Konventionen verstoßen wird, können Armeen handeln wie sie wollen. Sie haben die Rückendeckung ihrer obersten Herren und so ähnlich war es bei der Treuhand wohl auch. Erst als richtig in die Kasse gegriffen wurde, als geplündert wurde, wie hier in Halle und das dann eben auch noch publik wurde, das ist ja auch nur so hoch gekommen, weil sie sich haben erwischen lassen, dann sind die aktiv geworden. Vorher gab es doch überhaupt keine Veranlassung das da irgendjemand irgendetwas kontrolliert. Wenn ich den Auftrag habe zu zerschlagen, dann mache ich das und wenn ich dafür sogar noch eine Prämie kriege, mache ich das umso lieber.«


REIMUND SCHWARZ Reporter in Halle


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»Die Treuhand – sie ist die neue Superbehörde schlechthin, nach der Annexion der DDR. Rohwedder, der eigentliche Herrscher des Ostens, hat sich um die Interessen des westdeutschen Großkapitals – Deutsche Bank, Bayer, VEBA, Thyssen, Siemens und wie sie alle heißen – verdient gemacht. Er hat die DDR-Industrie und Landwirtschaft im Auftrage der Herrn aus Bonn kaputtsanieren lassen: »Abwickeln«, wie es in der Amtssprache des Finanzministers Waigel heißt. Derselben Sprache und derselben Worte bedienten sich die Nazis, um das jüdische Kapital zu »arisieren« ... Das westdeutsche Kapital hat kein Interesse an mehr Produktionskapazitäten, deshalb ist der eigentliche Auftrag der Superbehörde Treuhand, so viel wie möglich kaputtzuschlagen. Wir wollen dem nicht tatenlos zusehen und haben der Berliner Zweigstelle der Treuhand einen feurigen Besuch abgestattet. Wir haben die Zimmer der Abteilung Finanzen, Wirtschaft und Recht in Brand gesetzt.«


BEKENNERSCHREIBEN

nach einem Brandanschlag auf die Treuhand-Niederlassung Berlin


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»Die Westkonkurrenz wollte konkurrenzlos werden. Wenn man sich dann noch irgendwas unter den Nagel reißen konnte, dann hat man das gemacht und so auch noch eine verlängerte Werkbank bekommen. Dann werden eben einfache Arbeiten im Osten gemacht, das ist billiger. Oder aber, wenn die Firmen technologisch interessant sind, hat man entschieden: Wir brauchen die Firma ganz. Die eigentliche Funktion der Treuhand war die Enteignung der Ostdeutschen von ihrer Wirtschaft, vom Volkseigentum und das letztenendes zugunsten der Industrie im Westen, denn das ist das Ergebnis, dass die Industrie im Westen alles was an Besitz da zu verteilen war, sich unter den Nagel gerissen hat. Das ist das Ergebnis – auch auf Kosten der Steuerzahler in Ost und West und auch auf Kosten derer, die de Solidaritätsbeitrag bezahlen, auch in Ost und West.«


GÜNTER LORENZ Gewerkschafter in Halle


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»Ungünstig für den Angeklagten wirkt sich ferner aus, daß durch die Berichterstattung der Medien über sein Handeln am Ansehen der Marktwirtschaft bei den Bürgern Ostdeutschlands großer Schaden zugefügt worden ist. Korruption im besonders sensiblen Bereich der Privatisierung von ehemaligen Ost-Betrieben, bei der es nicht um die Übertragung von Anlagegegenständen, sondern auch um die Existenz von Arbeitsplätzen ging, ist ein ethisch besonders verwerfliches Verhalten, dessen Ahndung auch abschreckend wirken muss.«


Aus einem URTEIL gegen einen korrupten Treuhänder


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ORIGINALTON

»Die Beutejäger gewähren lassen«

Wie sehr die Privatisierung der DDR-Volkswirtschaft bis heute polarisiert, zeigen Zitate von Zeitzeugen. Unversöhnlich und bitter äußern sich viele Akteure, wenn sie über die Treuhand, die Währungsunion und die Einführung der Marktwirtschaft in Ostdeutschland sprechen. Egal ob 1990 – oder heute.

Helmut Kohl, Birgit Breuel, Detlef Rohwedder. Zeitgenössische Kritik an der Treuhand.

Ab 13. Februar 2012.